dies ist die Seite zum film BODENLOS

von regine keller + christiane thalgott

der film entstand im sommer 2020 im kontext der ausstellung

„stadthaltig- urbainable“ an der akademie der künste zu berlin

link zum film:

https://vimeo.com/447651119/813ca0c7e5

im film wurden 12 personen interviewt.

die fragen:

1. Wie sollten wir in Städten aus Ihrer Sicht mit dem Boden umgehen?

2. Was würden sie empfehlen?

3. Welches Erlebnis hat ihnen bewusst gemacht, dass es einen Zusammenhang zwischen Regenwürmern und dem Gesang der Amsel gibt?

der hintergrund:

das wachstum vieler städte ist bodenlos geworden im wahrsten sinne des wortes. die flächenversiegelung, die tagtäglich mit dem baugeschehen einhergeht, ist quantitativ zu erfassen und wird qualitativ unterschätzt. das, was an städtischen böden übrigbleibt, ist in den meisten fällen ein völlig erschöpftes material, das den geologischen begriff boden nicht mehr verdient. sein los ist es, nach bautätigkeiten zu einem gemenge verkommen zu sein, das nur noch selten anschluss an das „gewachsene“ erdreich hat und wenn doch, ist es durch die ewige bearbeitung all seiner lebendigkeit beraubt und das auf jahrzehnte. dabei ist boden ein lebendiges gut und ein belebter boden die grundlage des wachstums von flora und fauna. belebter boden und damit bodenfruchtbarkeit ist eine der wertvollsten ressourcen, die wir auf unserem planeten besitzen, und diese ressource ist, einmal zerstört, nicht wieder herstellbar. unser glaube an die technosciences allerdings ermöglicht es, sich mit zahlreichen substituten zufriedenzugeben. eigens entwickelte substrate suggerieren, das „echter“ boden ersetzbar ist. dies ist ein signifikantes beispiel für unser derzeitiges natur-kultur-verständnis. im zeitalter der technischen machbarkeiten erscheinen naturkräfte und naturphänomene beherrschbar. die erfindung des kunstdüngers ist ein gutes beispiel für die industrielle revolutionierung in der landwirtschaft und die gleichzeitige ausbeutung bodengebundener ressourcen. die folgewirkungen dieser technischen errungenschaft, die zerstörung des natürlichen bodens, wurden ignoriert. es scheint, als sei der übermut in der wissenschaft, die entdeckerfreude, der antrieb für allerlei fantastische wunscherfüllungen. der mensch aber ist fantasielos, was die folgen betrifft. wir sind nicht in der lage, die komplexen zusammenhänge zu sehen, und ebenso wenig in der lage zu erkennen, dass die art unserer nutzung die welt zerstört. „macht euch die erde untertan“ – das ist das paradigma der christlich-zivilisierten welt, das damit seinen zerstörungszug antritt. in der diskussion um städtische verdichtung geht es in wachstumsregionen heute primär um debatten von einwohnerzuzug und damit einhergehender angst vor überfremdung, hohen häusern und problematischer verkehrsdichte. in diesem zusammenhang wird die entstehung urbaner „hitzeinseln“ als folge des klimawandels erkannt. keine beachtung findet hingegen der absolute verlust von böden, also nachhaltigen grünräumen. es wird zwar der erhalt von bäumen diskutiert, aber einen öffentlichen diskurs über die verarmung oder den völligen verlust von belebtem bodens im zusammenhang mit reger bautätigkeit gibt es nicht. boden kann nicht vermehrt werden, und das ist im doppelten wortsinn zu verstehen. erschreckend ist, dass bei der erweiterung von städten trotz aller richtlinien und gesetze zur nachhaltigkeit zunehmend grundlegende ökologische prinzipien und hier insbesondere der schutz des bodens vernachlässigt werden. dies erscheint widersinnig – sind wir heute nicht umweltbewusster denn je, trennen den müll und kaufen bio? aber wir planen grün und bauen grau. wir säubern parks mit laubbläsern und mulchen vorgärten mit schotter, um nicht mehr jäten zu müssen. die selbstverständlichkeit etwas zu verbrauchen ist in unserer gesellschaft gepaart mit dem glauben, es mensch-gemacht wieder zurückgewinnen zu können. so kommt es zur endgültigen entfremdung zwischen mensch und natur – ein paradox, ist doch der mensch selbst natur.

die personen:

kamera: markus lanz und tassilo letzel

schnitt: lilli thalgott